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Einwachsen einer zementfreien Hüft-TEP: Primär- und Sekundärstabilität

ENDOPROTHETICUM Rhein-Main / Prof. Dr. med. K.P. Kutzner

Vorsicht vor zu schneller Überbelastung nach zementfreier Hüft-TEP!

Die zementfreie Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) hat sich als eine der häufigsten Optionen zur Behandlung fortgeschrittener Hüftarthrose und anderer degenerativer Hüfterkrankungen etabliert. Ihr Hauptvorteil besteht darin, dass der Prothesenschaft nicht mit Zement fixiert wird, sondern direkt in den Knochen einwächst. Dieses Einwachsen erfolgt in zwei Phasen: der Primärstabilität und der Sekundärstabilität. Ein erfolgreiches Einwachsen und die damit verbundene Langzeithaltbarkeit der Prothese hängen von mehreren Faktoren ab, die wir in diesem Artikel detailliert erläutern.


Primärstabilität nach Hüft-TEP

Die Primärstabilität beschreibt die anfängliche mechanische Fixierung des zementfreien Prothesenschaftes unmittelbar nach der Operation. Sie wird durch die exakte Passform des Schaftes im Oberschenkelknochen erreicht und ist entscheidend für die initiale Verankerung der Prothese im Knochen.


Einflussfaktoren auf die Primärstabilität:

  • Anatomische Passform: Moderne Hüftprothesen, insbesondere Kurzschaftprothesen, sind so konzipiert, dass sie sich optimal an die individuelle Anatomie des Oberschenkelknochens anpassen. Eine präzise Passung ist entscheidend, um Bewegungen des Prothesenschaftes in den ersten postoperativen Wochen zu verhindern.
  • Oberflächenbeschichtung: Die raue, poröse Oberfläche des Prothesenschafts fördert das Einwachsen des Knochens. Titan und andere biokompatible Materialien sind dafür besonders geeignet, da sie eine hohe Osseointegration fördern.
  • Minimal-invasive Operationstechniken: Diese Techniken ermöglichen eine geringere Schädigung der umgebenden Weichteile und Muskeln, was die Stabilität der Prothese in der frühen Phase unterstützt.


Sekundärstabilität nach Hüft-TEP

Die Sekundärstabilität entwickelt sich in den Wochen und Monaten nach der Operation, wenn der Knochen in die Oberfläche der Prothese hineinwächst und eine dauerhafte, biologische Verankerung erreicht wird. Diese Phase ist entscheidend für die Langzeithaltbarkeit der Prothese.


Einflussfaktoren auf die Sekundärstabilität:

  • Knochenheilung: Der Heilungsprozess des Knochens ist individuell und kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, wie Alter, Knochendichte und allgemeiner Gesundheitszustand des Patienten. Die Sekundärstabilität tritt ein, sobald der Knochen stabil mit der Prothese verwachsen ist.
  • Oberflächenstruktur der Prothese: Die Mikrorauheit und spezielle Beschichtungen, wie Calciumphosphat oder Hydroxylapatit, fördern das Knochenwachstum und unterstützen die Osseointegration.
  • Richtige postoperative Belastung: Eine kontrollierte, moderate Belastung des operierten Beins schützt den Einwachsvorgang des Knochens in die Prothese. Zu starke Belastung in der frühen Phase kann jedoch das Einwachsen beeinträchtigen.


Risiken bei gestörtem Einwachsen

Ein nicht erfolgreiches Einwachsen der zementfreien Prothese kann schwerwiegende Folgen haben, wie Lockerung, Instabilität oder die Notwendigkeit einer Revision. Zu den häufigsten Risikofaktoren zählen:

  • Frühzeitige starke Belastung: Während es wichtig ist, das operierte Bein moderat zu belasten, kann eine übermäßige Belastung, insbesondere in den ersten Wochen, zu Mikrobewegungen zwischen Prothese und Knochen führen, die das Einwachsen stören. Dies erhöht das Risiko einer frühzeitigen Lockerung der Prothese.
  • Schlechte Knochenqualität: Patienten mit Osteoporose oder anderen Knochenerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für ein gestörtes Einwachsen, da der Knochen möglicherweise nicht ausreichend stabil ist, um die Prothese fest zu verankern.
  • Infektionen: Eine Infektion im Operationsgebiet kann den Heilungsprozess stören und die Knochenintegration behindern. Sie kann auch zur Lockerung der Prothese führen, was in schweren Fällen eine Revisionsoperation erforderlich macht.


Nachbehandlung und Rehabilitation

Die richtige Nachbehandlung ist entscheidend, um die optimale Funktion der zementfreien Hüft-TEP zu gewährleisten und das Risiko eines gestörten Einwachsens zu minimieren. Hier sind einige der wesentlichen Aspekte:

  • Frühzeitige Mobilisation: Der Patient sollte bereits am ersten Tag nach der Operation mit Hilfe von Physiotherapeuten aufstehen und das Bein belasten, allerdings in einem kontrollierten Rahmen. Eine zu frühe oder zu starke Belastung kann das Einwachsen stören.
  • Kontrollierte Belastung: Die Patienten sollten in den ersten Wochen nur so viel Belastung auf das operierte Bein ausüben, wie vom Chirurgen empfohlen. In der Regel erfolgt dies stufenweise, beginnend mit Teilbelastung und einer allmählichen Steigerung.
  • Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen: Regelmäßige Röntgenkontrollen sind notwendig, um den Fortschritt des Einwachsens zu überwachen und mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen.


Nach einer zementfreien Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) ist die Nachbehandlung entscheidend, um das erfolgreiche Einwachsen der Prothese zu unterstützen und langfristige Komplikationen zu vermeiden. In den ersten sechs Wochen nach der Operation sollte der Fokus nicht auf intensiven Übungen, sondern auf der Förderung der Knochen- und Wundheilung liegen. Dabei gibt es klare Empfehlungen, welche Belastungen und Übungen vermieden werden sollten, um den Heilungsprozess zu unterstützen.


1. Vermeidung von Übungen im Einbeinstand

In den ersten sechs Wochen nach der Operation sollten Übungen, die einen Einbeinstand erfordern, vermieden werden. Diese Art der Übung führt zu einer ungleichmäßigen Belastung des operierten Beins und kann potenziell die primäre Fixierung der Prothese destabilisieren.

Gründe dafür:

  • Hohe Belastung: Der Einbeinstand setzt das operierte Bein einer erheblichen Belastung aus, da das gesamte Körpergewicht auf dieses Bein wirkt. In der frühen Phase ist jedoch eine kontrollierte Teilbelastung entscheidend, um das Einwachsen des Knochens in die Prothese nicht zu gefährden.
  • Instabilität: Die Muskulatur rund um das Hüftgelenk muss sich nach der Operation erst erholen. Übungen im Einbeinstand belasten die noch nicht vollständig regenerierte Muskulatur übermäßig und könnten zu ungewollten Bewegungen im Hüftgelenk führen.

Stattdessen sollten Patienten auf Übungen setzen, die beide Beine gleichzeitig beanspruchen und das operierte Bein nur teilweise belasten.


2. Verzicht auf Wackelplatten und instabile Untergründe

Instabile Trainingsgeräte, wie Wackelplatten, die oft in der Physiotherapie zur Förderung der Balance und Stabilität verwendet werden, sollten in den ersten sechs Wochen strikt vermieden werden. Diese Geräte können zwar langfristig hilfreich sein, aber in der Anfangsphase nach einer Hüft-TEP besteht ein hohes Risiko, dass sie zu unkontrollierten Bewegungen führen und die Integration der Prothese stören.

Risiken bei Wackelplatten:

  • Mikrobewegungen der Prothese: Das Stehen auf einer Wackelplatte erfordert ständige kleine Korrekturbewegungen des Körpers, die wiederum Mikrobewegungen der Prothese im Knochen verursachen könnten. Solche Bewegungen sind während der Phase des Einwachsens besonders kritisch, da sie die Primärstabilität beeinträchtigen können.
  • Verzögerung der Osseointegration: Unkontrollierte Bewegungen und wiederholte Belastungswechsel können die Osseointegration (Einwachsen des Knochens in die Prothese) verzögern oder sogar verhindern, was im schlimmsten Fall zu einer Lockerung der Prothese führt.


3. Vermeidung von Stoßbelastungen

Stoßbelastungen, wie sie beim Springen, Laufen oder intensiven Krafttraining auftreten, sollten in der frühen postoperativen Phase ebenfalls vermieden werden. Stoßbelastungen üben einen erheblichen Druck auf das frisch operierte Hüftgelenk aus und können das Einwachsen der Prothese behindern.

Beispiele für Stoßbelastungen:

  • Laufen oder Joggen: Der repetitive Aufprall beim Laufen erzeugt Stoßwellen, die sich auf das Hüftgelenk übertragen. Besonders in den ersten Wochen nach der Operation sind solche Bewegungen schädlich, da sie die Primärstabilität gefährden.
  • Springen oder Hüpfen: Ähnliche Belastungen treten beim Springen auf, weshalb auch Übungen wie leichtes Hüpfen oder Sprünge in dieser Phase nicht durchgeführt werden sollten.

Stattdessen sollte auf sanfte Bewegungen und Gehübungen mit einer schrittweisen Steigerung der Belastung geachtet werden.


4. Maximalkraft- und Stabilitätsübungen in der frühen Phase

Maximalkraftübungen, also Übungen, die darauf abzielen, die Muskulatur bis an ihre Grenze zu belasten, sind in den ersten sechs Wochen nach der Hüftoperation nicht sinnvoll. In dieser Phase geht es nicht darum, die Kraft möglichst schnell wiederherzustellen, sondern darum, die Knochenheilung und Wundheilung zu unterstützen.

Gründe gegen Maximalkraftübungen:

  • Erhöhte Muskelspannung: Maximalkraftübungen setzen die Muskulatur rund um die Hüfte unter starke Spannung, was die Gefahr birgt, dass die Prothese destabilisiert wird.
  • Belastung der Prothesenverankerung: Diese Übungen könnten die Fixierung der Prothese im Knochen übermäßig belasten und das Risiko einer Lockerung erhöhen.

Ebenso sind Stabilitätsübungen von untergeordneter Bedeutung, da die Stabilität der Hüfte in den ersten Wochen vorrangig durch die knöcherne Einheilung der Prothese erreicht wird und nicht durch die Kräftigung der umgebenden Muskulatur.


5. Respektieren der Knochenheilung und Wundheilung

Das oberste Ziel der ersten sechs Wochen nach einer zementfreien Hüft-TEP ist es, den Heilungsprozess des Knochens und der Weichteile nicht zu stören. Die Knochenheilung spielt eine entscheidende Rolle für das langfristige Einwachsen der Prothese, und daher ist es wichtig, Übungen und Aktivitäten zu vermeiden, die diesen Prozess behindern könnten.

Heilungsverlauf des Knochens:

  • Primärphase der Heilung: In den ersten Wochen nach der Operation befindet sich der Knochen in einer akuten Heilungsphase, in der neue Knochensubstanz gebildet wird. Zu starke oder falsche Belastungen können diesen Prozess unterbrechen oder verlangsamen.
  • Wundheilung: Neben der Knochenheilung ist auch die Heilung des Weichgewebes rund um die Hüfte entscheidend. Übungen oder Bewegungen, die die Operationswunde zu stark belasten, könnten zu Wundheilungsstörungen führen.

Ein geregelter, moderater Belastungsaufbau fördert hingegen die Heilung und unterstützt die langfristige Funktion der Prothese.


Empfohlene Übungen in den ersten sechs Wochen

Während intensive Übungen und Stoßbelastungen in den ersten Wochen vermieden werden sollten, gibt es dennoch einige sinnvolle Übungen, die durchgeführt werden können, um die Mobilität und Muskelkraft schrittweise wieder aufzubauen, ohne die Heilung zu gefährden.

Empfohlene Bewegungsarten:

  • Gehen: Sanftes Gehen mit Unterstützung von Gehhilfen ist eine der sichersten und effektivsten Übungen in den ersten Wochen nach der Operation. Es fördert die Durchblutung und unterstützt die Heilung, ohne die Hüfte zu stark zu belasten.
  • Beinheben in Rückenlage: Diese Übung kann helfen, die Muskulatur sanft zu stärken, ohne das Hüftgelenk übermäßig zu belasten.
  • Bewegung im Wasser: Nach Absprache mit dem Arzt kann auch leichtes Training im Wasser sinnvoll sein, da das Wasser den Körper trägt und die Belastung auf das Hüftgelenk reduziert.


Fazit

Die zementfreie Hüft-TEP ist eine bewährte Methode, um Patienten mit Hüftgelenkserkrankungen eine langfristige Lösung zu bieten. Der Erfolg der Prothese hängt maßgeblich von der Primärstabilität und der anschließenden Sekundärstabilität ab. Eine kontrollierte Belastung und sorgfältige Nachsorge sind entscheidend, um ein gestörtes Einwachsen zu verhindern. Mit der richtigen Technik und Nachsorge können Patienten von einer langen Lebensdauer der Prothese und einer hohen Lebensqualität profitieren.

In den ersten sechs Wochen nach einer zementfreien Hüft-TEP sollten Patienten vorsichtig mit Belastungen und Übungen umgehen. Einbeinstand, Wackelplatten, Stoßbelastungen und intensive Kraftübungen sollten vermieden werden, da sie das Risiko einer gestörten Heilung und einer Lockerung der Prothese erhöhen. Stattdessen sollte der Fokus auf sanften Bewegungen liegen, die die Heilung fördern und die Prothese nicht gefährden. Es ist entscheidend, den Heilungsprozess des Knochens und der Weichteile zu respektieren, um eine langfristige Stabilität der Prothese zu gewährleisten.

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