Ein künstliches Hüftgelenk verbessert die Lebensqualität von Millionen von Menschen weltweit. Doch trotz aller Fortschritte in der Endoprothetik können Komplikationen auftreten, darunter sogenannte periprothetische Frakturen. Diese Brüche in unmittelbarer Nähe zur Prothese können aus unterschiedlichen Gründen entstehen und stellen eine große Herausforderung für Ärzte und Patienten dar. Besonders bei Kurzschaftprothesen sind spezifische biomechanische Faktoren zu beachten, die das Frakturrisiko beeinflussen. In diesem Beitrag betrachten wir ausführlich die Ursachen, Diagnose, Behandlungsmöglichkeiten und Prävention von periprothetischen Frakturen bei Kurzschaftprothesen.
Was sind periprothetische Frakturen?
Periprothetische Frakturen sind Knochenbrüche, die im Bereich eines bereits implantierten künstlichen Gelenks auftreten. Diese Frakturen treten typischerweise in der Umgebung der Prothesenschaftverankerung auf und können sowohl intraoperativ als auch postoperativ entstehen.
Klassifikation periprothetischer Frakturen
Periprothetische Frakturen werden nach verschiedenen Systemen klassifiziert. Das häufig verwendete Vancouver-Klassifikationssystem unterteilt Frakturen in:
- Typ A: Frakturen des Trochanter major oder minor (meist konservativ behandelbar)
- Typ B1: Frakturen im Bereich des Prothesenschaftes mit stabiler Prothese
- Typ B2: Frakturen mit Lockerung der Prothese
- Typ B3: Frakturen mit schlechter Knochenqualität
- Typ C: Frakturen unterhalb des Prothesenschaftes
Die Unterscheidung dieser Frakturtypen ist entscheidend für die Wahl der Behandlungsmethode.
Warum treten Frakturen bei Kurzschaftprothesen auf?
Kurzschaftprothesen sind so konzipiert, dass sie eine möglichst knochensparende Implantation ermöglichen. Die Fixierung erfolgt primär im proximalen Oberschenkelknochen, wodurch sich die Belastung und Krafteinwirkung anders verteilt als bei konventionellen Langschaftprothesen.
Faktoren, die das Frakturrisiko erhöhen:
- Fehlbelastung nach der Operation: Eine falsche Belastung in den ersten Wochen nach der Implantation kann das Risiko für Mikrofrakturen erhöhen.
- Insuffiziente primäre Verankerung: Eine schlechte Passform oder eine nicht optimale Positionierung des Implantats kann die Knochenstabilität beeinträchtigen.
- Alter und Knochendichte des Patienten: Patienten mit Osteoporose haben ein höheres Risiko für periprothetische Frakturen.
- Stürze und Traumata: Direkte Stöße oder Stürze können eine Fraktur im Bereich der Prothese verursachen.
Risikofaktoren für periprothetische Frakturen bei Kurzschaftprothesen
Patientenbezogene Faktoren:
- Osteoporose oder andere Erkrankungen mit verminderter Knochendichte
- Hohes Alter
- Fehlende Muskulatur und mangelndes Gleichgewicht
- Unzureichende postoperative Rehabilitation
Implantatbezogene Faktoren:
- Unzureichende knöcherne Integration der Prothese
- Wahl einer zu kleinen oder zu großen Prothese
- Verwendung eines nicht optimal zum Patienten passenden Designs
Chirurgische Faktoren:
- Unvorsichtige intraoperative Manipulation des Knochens
- Unzureichende Fixierung der Prothese
- Verwendung ungeeigneter Zugänge (minimale versus konventionelle Inzisionen)
Unterschiede bei periprothetischen Frakturen zwischen Kurzschäften und Geradschäften
1. Unterschiedliche Verankerung im Knochen
- Kurzschaftprothesen werden metaphysär, also im oberen Bereich des Oberschenkelknochens, verankert. Dadurch bleibt die Diaphyse (der lange Röhrenanteil des Oberschenkelknochens) weitgehend intakt.
- Geradschaftprothesen hingegen erstrecken sich tiefer in die Diaphyse und sind dort fest verankert.
Diese unterschiedliche Verankerung beeinflusst die Art der Frakturen:
- Bei Kurzschaftprothesen treten Frakturen eher im proximalen (oberen) Oberschenkelbereich auf, insbesondere, wenn die metaphysäre Verankerung nicht optimal ist.
- Bei Geradschaftprothesen treten Frakturen oft in der Diaphyse auf, also weiter unten am Oberschenkelknochen. Diese Frakturen sind schwieriger zu behandeln, da sie oft mit einer erneuten, tiefreichenden Verankerung des Implantats verbunden sind.
2. Stabilität und Knochenreserven
- Ein
Vorteil der Kurzschaftprothese ist, dass durch die kürzere Verankerung im Knochen mehr Knochensubstanz erhalten bleibt. Dies kann bei einer Fraktur hilfreich sein, da mehr Knochenmaterial für eine operative Stabilisierung zur Verfügung steht.
- Bei
Geradschaftprothesen kann eine periprothetische Fraktur kritischer sein, da die Knochenstruktur durch die lange Verankerung stärker verändert wurde und oft weniger Knochenreserven zur Verfügung stehen.
3. Risiko bei Stürzen und Unfällen
- Geradschaftprothesen erhöhen das Risiko für distale Frakturen (tiefer gelegene Oberschenkelfrakturen), da die starre, lange Verankerung Hebelkräfte auf den unteren Teil des Oberschenkelknochens überträgt.
- Kurzschaftprothesen haben in der Regel ein geringeres Risiko für solche distalen Frakturen, da sie kürzer sind und die Krafteinwirkung auf eine kleinere Knochenregion begrenzt bleibt.
4. Behandlungsmöglichkeiten bei Frakturen
- Bei Frakturen um eine Kurzschaftprothese herum ist es oft möglich, diese mit Plattenosteosynthesen oder anderen stabilisierenden Maßnahmen zu versorgen, ohne die Prothese austauschen zu müssen.
- Bei Frakturen um eine Geradschaftprothese herum ist ein Wechsel auf eine längerreichende, achsgeführte oder modulare Revisionsprothese häufiger notwendig.
5. Sind Kurzschaftprothesen im Vorteil?
- Kurzschaftprothesen zeigen ein
geringeres Risiko für schwerwiegende diaphysäre Frakturen, da die Knochenstruktur weitgehend erhalten bleibt.
- Wenn es zu Frakturen kommt, treten diese meist
proximalknochennah auf, was bessere Behandlungsoptionen bietet.
- Geradschaftprothesen haben dagegen ein
höheres Risiko für Frakturen im mittleren und unteren Oberschenkelbereich, die schwieriger zu versorgen sind.
Insgesamt bieten Kurzschaftprothesen also gewisse Vorteile hinsichtlich periprothetischer Frakturen, insbesondere im Hinblick auf die Knochenerhaltung und die Behandlungsoptionen im Frakturfall.
Diagnose einer periprothetischen Fraktur
Eine schnelle und genaue Diagnose ist essenziell, um eine adäquate Behandlung einzuleiten. Typische Symptome sind plötzliche Schmerzen, Schwellung und Bewegungseinschränkungen des betroffenen Beins.
Diagnostische Verfahren:
- Röntgenaufnahmen zur Lokalisation der Fraktur
- Computertomografie (CT) zur besseren Darstellung von Frakturen und Implantatposition
- Magnetresonanztomografie (MRT) bei Verdacht auf Weichteilverletzungen
Behandlungsmöglichkeiten von periprothetischen Frakturen
Die Therapie richtet sich nach dem Frakturtyp, der Stabilität der Prothese und der Knochenqualität des Patienten.
Konservative Therapie
- Nur bei stabilen Frakturen ohne Prothesenlockerung anwendbar
- Ruhigstellung durch Teilbelastung und Physiotherapie
Operative Therapie
- Osteosynthese: Verschraubung oder Plattenosteosynthese bei stabilen Prothesen
- Revisionsprothese: Falls die Prothese gelockert ist oder eine massive Knochenschädigung vorliegt
- Knochentransplantation oder Augmentationsverfahren: Bei starker Osteoporose oder Knochenverlust
Prävention von Frakturen bei Kurzschaftprothesen
Da periprothetische Frakturen schwerwiegende Komplikationen darstellen, sind präventive Maßnahmen essenziell.
Wahl des richtigen Implantats
- Individuelle Anpassung an die Knochenanatomie des Patienten
- Verwendung moderner Implantate mit optimierter Verankerung
Optimierung der Knochendichte
- Osteoporosemedikamente und Vitamin D-Supplementation
- Krafttraining zur Stärkung der Muskulatur
Patientenverhalten nach der Operation
- Vermeidung von Stürzen durch Gleichgewichtstraining
- Einhalten der empfohlenen postoperativen Belastungsgrenzen
Fazit und Empfehlung
Periprothetische Frakturen stellen eine ernsthafte Komplikation in der Endoprothetik dar. Besonders bei Kurzschaftprothesen ist die individuelle Anpassung an den Patienten entscheidend, um das Risiko zu minimieren. Moderne Implantate und verbesserte Operationstechniken haben das Auftreten solcher Frakturen reduziert, dennoch bleibt eine präzise Diagnostik und Behandlung essenziell.
Patienten, die eine Hüftprothese benötigen oder bereits ein Implantat tragen, sollten sich an spezialisierte Zentren wenden, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Die Kombination aus präziser chirurgischer Technik, hochwertiger Implantatwahl und einer angepassten Rehabilitation minimiert das Risiko von Komplikationen und verbessert die Langzeitergebnisse für den Patienten.