Skelettszintgraphie bei der Diagnostik der Prothesenlockerung
Warum eine Skelettszintigraphie zur Diagnostik einer Prothesenlockerung erst nach ca. 1,5 Jahren sinnvoll ist

Die Skelettszintigraphie ist ein bildgebendes Verfahren, das auf dem Prinzip beruht, dass radioaktive Marker (meist Technetium-99m-markierte Phosphate) an Stellen mit erhöhter Knochenaktivität gespeichert werden. Durch diese Anreicherung können Entzündungen, Infektionen, Knochenumbauprozesse oder Lockerungen z.B. von Hüftprothese (Hüft-TEP) oder Knieprothesen (Knie-TEP) sichtbar gemacht werden.
Gerade bei der Diagnostik einer Prothesenlockerung kann die Skelettszintigraphie helfen – allerdings gibt es einen wichtigen zeitlichen Aspekt:
1. Erhöhte Aktivität direkt nach der Implantation
In den ersten 12 bis 18 Monaten nach einer Prothesenimplantation zeigt eine Skelettszintigraphie
immer eine
verstärkte Anreicherung um das Implantat herum.
Warum?
- Nach dem Einsetzen der Prothese reagiert der Knochen auf das Trauma durch die Operation.
- Es laufen Reparaturprozesse ab: Knochenumbau (sog. „bone remodeling“) und Reaktion auf die neue mechanische Belastung.
- Zusätzlich entstehen Mikrobewegungen zwischen Knochen und Prothese, bis die endgültige Einheilung abgeschlossen ist.
➡️ Ergebnis: Die Skelettszintigraphie ist in dieser Zeit fast immer positiv – auch wenn keine Lockerung vorliegt.
Das bedeutet:
👉 Eine erhöhte Szintigraphie-Aktivität in den ersten 1 bis 1,5 Jahren ist
nicht spezifisch für eine Prothesenlockerung.
2. Risiko der Fehlinterpretation (falsch-positive Befunde)
Würde man in diesem Zeitraum eine Szintigraphie durchführen, gäbe es ein hohes Risiko für:
- Falsch-positive Befunde: Man interpretiert normale Heilungs- oder Umbauvorgänge fälschlicherweise als Lockerung.
- Unnötige Eingriffe: Auf Grundlage einer fehlerhaften Diagnose könnten unnötige Revisionseingriffe erfolgen.
Beispiel:
Ein Patient hat 10 Monate nach Hüft-TEP-Implantation leichte Schmerzen. Eine Szintigraphie zeigt eine Anreicherung. Ohne Berücksichtigung des Heilungsverlaufs könnte fälschlicherweise eine Lockerung angenommen werden – dabei ist der Befund für diese Phase völlig normal.
3. Zeitpunkt nach 1,5 Jahren – warum dieser Zeitraum?
Nach etwa 15–18 Monaten:
- Hat sich die Umbauaktivität weitgehend normalisiert.
- Stabilisiert sich die Knochen-Implantat-Interaktion.
- Bleibt eine erhöhte Anreicherung bestehen, ist dies nun tatsächlich hinweisend auf pathologische Prozesse (z. B. Lockerung, Infektion).
➡️ Ab diesem Zeitpunkt hat die Skelettszintigraphie eine deutlich höhere Spezifität und Aussagekraft für:
- Lockerungen (aseptisch oder septisch)
- Implantatlockerungen durch Infektion oder mechanische Instabilität
- Knochenschäden oder Osteolyse
Kurz gesagt:
👉
Erst nach etwa 1,5 Jahren kann eine Szintigraphie eine echte Lockerung von normalen Umbauprozessen sicher unterscheiden.
4. Aktueller wissenschaftlicher Konsens
Studien und Leitlinien (z. B. der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, DGOU) empfehlen deshalb:
- Keine Skelettszintigraphie zur Lockerungsdiagnostik innerhalb der ersten 12–18 Monate nach Primärimplantation einer Hüft-TEP oder einer Knie-TEP.
- Stattdessen in diesem Zeitraum: Klinische Untersuchung, konventionelle Röntgendiagnostik, ggf. Punktion bei Infektionsverdacht.
5. Alternative Diagnostik in den ersten 18 Monaten
Wenn eine Lockerung einer Hüftprothese oder Knieprothese frühzeitig vermutet wird (z. B. bei anhaltenden Schmerzen, Fieber, Funktionseinschränkungen), sollten bevorzugt eingesetzt werden:
- Konventionelles Röntgen (direkte Zeichen wie Lösen der Prothese oder Osteolyse)
- CT (Feindiagnostik, Implantatlockertest)
- Punktion (zur Unterscheidung zwischen septischer und aseptischer Lockerung)
- Laborwerte (CRP, Leukozytenzahl)
Erst wenn diese Verfahren unklar bleiben und die Beschwerden bestehen, sollte nach ca. 18 Monaten eine Szintigraphie in Erwägung gezogen werden.
Fazit: Skelettszintigraphie bei V.a. Prothesenlockerung zumeist erst nach 1,5 Jahren sinnvoll!
Die
Skelettszintigraphie ist ein wertvolles diagnostisches Instrument, wenn der Verdacht auf eine
Lockerung einer Hüft- oder Knieprothese besteht. Allerdings muss der richtige Zeitpunkt beachtet werden:
In den ersten 12 bis 18 Monaten nach der Implantation sind die Befunde durch normale Heilungs- und Umbauvorgänge häufig verfälscht, sodass eine Interpretation schwierig und fehleranfällig sein kann.
Erst ab etwa 1,5 Jahren nach der Operation liefert die Skelettszintigraphie aussagekräftige Hinweise auf eine tatsächliche Lockerung oder eine mögliche Infektion.
Deshalb ist es entscheidend, frühzeitig auf klassische Diagnosemethoden wie klinische Untersuchung, Röntgendiagnostik und gegebenenfalls Gelenkpunktion zurückzugreifen.
Eine gezielte, zeitlich sinnvoll eingesetzte Szintigraphie kann dann entscheidend dazu beitragen, eine Prothesenlockerung sicher zu diagnostizieren und die Weichen für eine erfolgreiche Therapie zu stellen.
Merke:
🔵 Vor 1,5 Jahren → Szintigraphie kaum verwertbar wegen normaler Heilung.
🟢 Nach 1,5 Jahren → Aussagekräftiges Tool bei Verdacht auf Lockerung.
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